Kanon in Swing – MP3
Was hörst Du hier? Wenn es Dir so wie mir geht, hast Du eines der beiden folgenden "Hör-Erlebnisse":
- Ein chaotisches Durcheinander von Tönen, die irgendwie rauf und runtergehen.
- Ein Stück im Swing-Rhythmus, das etwas schräg durch die Harmonien wandert.
Offenbar hatte ich beim Komponieren und ersten Hören den Grundton oder sogar die Harmoniefolge in meinem inneren Gehör, über der sich der etwas komplexe Kanon abspielt. Und auch den Hauptrhythmus, einen simplen Zweiertakt, konnte ich ab dem triolischen Auftakt "eingleisen" und damit die Synkopen korrekt gegen dieses Rhythmus hören. Jeder Zuhörer aber, der das Stück unvorbereitet hören muss, hat weder das eine (Grundton) noch das andere (Zweier-Rhythmus) zur Verfügung und schafft es so womöglich nicht, diese beiden Dinge aus dem Gehörten schnell genug zu (re)konstruieren – zumindest beim ersten und zweiten Hören.
Dass Musik "fundiert" sein muss, ist natürlich eine ewig alte Erkenntnis. De la Motte beschreibt in seinem "Melodie"-Buch den Gegensatz zwischen Schubert- und Beethoven-Melodien: Wie der erstere alleine in seinen Lied-Melodien die Fundierung auf eine Tonart schafft, während der andere "sinfonische Melodien" schreibt, die erst im Zusammenspiel mit einer (Klavier-)Begleitung eine Tonart bestimmen. Theoretisch war mir das also natürlich klar ... praktisch bin ich aber direkt in die Falle gegangen.
Was ist der Grund dafür (außer dass ich ein ziemlich ungeübter Komponist bin und wahrscheinlich alle Fehler erst noch machen muss, die man so machen kann ...)? Ein Grund ist sicher, dass ich, ganz "klassisch", meine Kompositionen mit Noten schreibe. Hier ist der notierte Anfang dieses Kanons:
Diese Notation nun gibt sowohl Tonart als auch Takt vor! Man weiß, wenn man die Noten liest, schon beim ersten Hinschauen, dass die Tonart D-Dur ist (und dass daher das Gis im sechsten Takt eine "schräge" Note ist und nicht eine Tonart-bestimmende). Man weiß auch, dass die ersten drei Töne einen Auftakt bilden, und wo daher der schwere Schlag liegt. Deshalb ist man als "Notenleser", und noch viel mehr als Komponist, hier klar im Vorteil. Nur ist Musik eben kein "Lese-Sport", sondern etwas, das gehört werden will. Und insofern ist dieser Kanon womöglich ein Versager.
Übungshalber habe ich versucht, Grundton und Rhythmus durch eine brutale Klavier-Intro und -Begleitung zu "fundieren":
Kanon in Swing mit Klavier-Intro und -Begleitung – MP3
Das führt natürlich dazu, dass sowohl die Tonhöhen als auch der Rhythmus sinnvoll "ins Gleis laufen"! Und man kann sich nun auch die erste, rein "(MIDI-)vokale" Aufnahme anhören und diese Muster darunterlegen – bis man sie nach einiger Zeit wieder vergisst und dann womöglich wieder ein Chaos an Tönen hört. Allerdings ist das schon ein brachiales Verfahren, einen Kanon zu begradigen ... so wollte ich ihn eigentlich nicht komponiert haben!
Vielleicht reicht es aber auch aus, nur den Rhythmus zu fundieren. Wenn man für den Zuhörer die schweren Taktzeiten identifiziert, kann er sich darauf verlassen, dort auch die Haupttöne der Tonart zu finden, und findet damit nicht nur ins rhythmische, sondern auch ins Tonart-"Gleis". Hier ist eine Version, wo Klatschen diese Rhythmus-Fundierung liefert (Fingerschnippen ist bei einer echten Aufführung viel besser, fehlt aber in meinem GM-MIDI-Font noch):
Kanon in Swing mit Klatschen – MP3
Eine zweite, ganz andere Erkenntnis, die ich über Kanons hatte: nämlich wie man darin "mehr Harmonien hört, als da sind", beschreibe ich in einem getrennten Posting.
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